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Interview mit John Achterberg, Liverpool FC
von Artur Stopper
Seit 2011 ist John Achterberg für die Torhüter des FC Liverpool zuständig, einem der erfolgreichsten Fußballclubs in der europäischen Fußballhistorie. Er arbeitete in dieser Zeit unter anderen mit Simon Mignolet, Loris Karius, Pepe Reina und aktuell mit dem brasilianischen Nationaltorhüter Alisson Becker. Nach erfolgreichen Zeiten besonders in den 70er- und 80er-Jahren konnte der 19-malige englische Meister unter Trainer Jürgen Klopp wieder an die großartigen Erfolge früherer Jahre anschließen. Gemeinsam mit dem deutschen Teammanager gewann John Achterberg mit dem Reds 2019 die Champions League und 2020 die englische Meisterschaft.
Goalguard hatte die Möglichkeit, mit John Achterberg über das Besondere dieses Klubs, über die Aufgaben des Torhüters im Spielsystem von Klopp, über die Zusammenarbeit mit Taffarel und das spezielle Verhalten Alissons in der 1gegen1-Situation zu reden.
Schon bevor ich meine Arbeit in Liverpool begann, war der Club mit seiner großen sportlichen Vergangenheit einer der größten und erfolgreichen Vereine der Welt. Als die neuen Club-Besitzer, die Fenway Sports Group, den Verein übernahmen, wollten sie ihn wieder zu altem Glanz zurückführen. Sie verpflichteten Jürgen Klopp als Team-Manager, der den ganzen Verein umkrempelte. In früheren Zeiten verließen die Zuschauer oft bereits nach 75 Minuten das Stadion, wenn die Mannschaft auf der Verliererstraße war. Durch Teammanager Klopp hat sich die Mentalität in der Mannschaft und im Verein so sehr verändert, dass die Zuschauer auch bis zur 98. Minute bleiben und die Mannschaft unterstützen, weil sie daran glauben, dass das Team mit seinem Siegeswillen auch noch gegen Ende des Spiels Tore erzielen und das Spiel gewinnen kann. Er hat also die Mentalität im Klub verändert, indem er den Glauben an den Erfolg, den Willen zum Erfolg sowie die Bereitschaft, hart dafür zu arbeiten, zurückgebracht hat. Auf diese Weise hat er den Klub wieder zu dem gemacht, was er über viele Jahre war. Genau dasselbe hatte er im Übrigen auch schon bei seinen früheren Vereinen Mainz 05 und Borussia Dortmund erreicht.
Der Grund ist, dass Taffarel viel Erfahrung vom brasilianischen Fußball mitbringt und Alisson seine Art, wie er arbeitet, liebt. Deshalb wollte er immer mit ihm arbeiten. Nach einem Gespräch mit mir und dem Boss fiel die Entscheidung, Taffarel unter Vertrag zu nehmen. Mit seiner Verpflichtung wollten wir zudem die Weiterentwicklung im Verein vorantreiben sowie die Intensität und die Qualität hochzuhalten. Zu Dritt erreichen wir diese Ziele besser. Taffarel ist zudem ein unglaublich guter Typ, der einen guten Spirit ins Team einbringt und enorm wichtig ist als Verbindungsglied zu den anderen südamerikanischen Spielern in unserer Mannschaft. Das passt bei uns sehr gut. Wir haben ein starkes Torwartteam, wenn man so will.
Ich denke, dass in der Premier League in England das höchste Spieltempo auf der Welt gespielt wird. Deshalb muss der Torhüter im Denken, in den Bewegungen, in der Reaktionsfähigkeit und der Entscheidungsfindung schneller sein. Jeder Torhüter, der nach England kommt, muss diese Faktoren lernen und trainieren. Dafür braucht es Zeit. Einige nehmen die Anpassungen an den Fußball in der Premier League schneller auf als andere. Alisson ist diese Adaption in äußerst kurzer Zeit gelungen, weil er im Kopf bereits sehr schnell war und viel Speed und Power mitbrachte.
Ja, weil Alisson bereits den Liverpooler Spielstil beherrscht, kam Tafferel hinzu, um mit ihm speziell nach der brasilianischen Spielphilosophie zu arbeiten. Diese deckt sich gut mit der Art, wie wir grundsätzlich als Torwarttrainer und als Team in Liverpool arbeiten. Taffarel bringt einen großen Erfahrungsschatz mit und ist ein großartiger Mensch für das Team. Er hat eine gute Präsenz und lächelt ständig. Zudem hatte er auch eine großartige Karriere als Torhüter. Mit diesem Wissen und seinen Erfahrungen bringt er jeden Torhüter im Verein weiter.
Ich denke, dass sein Stil gut ist, vor allem auch sein Timing. Er weiß, wann er auf den Füßen bleiben und wann er nach unten schließen muss. Außerdem ist er sehr schnell auf der Torlinie und kann eine Situation gut lesen. Sein Stil ist es, direkt vor dem Schuss aufrecht zu stehen und ein gutes Timing beim Schuss zu haben. Ich weiß nicht, ob es einen speziell europäischen Stil gibt. Ich bevorzuge jedenfalls den Stil von Alisson in der 1gegen1-Situation. Auch den anderen Torhütern vermittle ich dieses Verhalten. Ich bringe ihnen nicht den Block bei, weil Blocksituationen für mich wie ein Casinobesuch sind. Der Torhüter hofft, dass er angeschossen wird. Ein Torhüter gibt viel Raum im Block frei …
Nein, weil er direkt in die Richtung des Balles geht. Der Torwart bietet viel Raum an, wenn er in den Block geht. Wenn er dann in der Vorwärtsbewegung realisiert, dass der Spieler frontal auf ihn zukommt und er glaubt, dass er nicht mehr an den Ball kommen kann, bleibt er in der Vorwärtsbewegung. Wenn dann der Spieler links oder rechts vorbei will, kann der Torwart immer noch die Richtung wechseln. Bei einem Block ist das anders. Hat sich der Torhüter im Block für eine Seite entschieden, kann er nicht mehr auf die andere Seite reagieren. Dann ist viel Platz, um am Torhüter vorbeizugehen und ihn zu umspielen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.
Der Torhüter muss Situationen erkennen, wann er schnell einen Konter einleiten kann. Alisson ist darin sehr gut. Dabei hilft ihm, dass er den Ball mit einem Drall scharf und punktgenau spielen kann. Diese außergewöhnliche technische Fertigkeit weiß es in der entsprechenden Situation einzusetzen. Deshalb ist diese besondere Stärke vor allem sein Verdienst. Einige Torhüter auf der Welt versuchen dasselbe, aber Alisson ist in dieser speziellen Spielsituation zweifellos einer der Besten. Diese Fähigkeit kommt der Art und Weise entgegen, wie wir spielen bzw. wie der “Boss” (Anmerkung: Jürgen Klopp) möchte, dass wir spielen. Konterfußball eben. So hat Liverpool zwar schon immer gespielt, aber der “Boss” hat diese Spielweise perfektioniert.
Ich habe mir keine Ziele gesetzt, ich nehme jedes Jahr, wie es kommt. Offiziell endet das Vertragsverhältnis am Ende der Saison. Ich genieße jeden Tag, an dem ich für den FC Liverpool arbeiten darf, denn es gibt keinen Tag, an dem ich meinen Beruf keine Freude habe. Ich bin glücklich, in dieser Position zu sein. Aber es gibt keine Garantie, man muss den Moment genießen. Wenn man in Liverpool arbeitet, sind die Erwartungen, dass man gewinnt und der Beste ist, ständig präsent. Aber man kann nicht vorausschauen, was in der Zukunft passieren wird. Deshalb muss man in diesen Situationen ruhig bleiben.