Keine Artikel
Im Anschluss an das Turnier führte die FIFA 1992 als Reaktion auf die Zeitvergeudungstaktik die Rückpassregel ein. Ab sofort war es dem Torwart nicht mehr gestattet, den Ball mit seinen Händen zu berühren, wenn das Zuspiel durch einen Mitspieler der eigenen Mannschaft kontrolliert per Fuß oder Einwurf erfolgt war. Das Spiel sollte durch weniger Unterbrechungen wieder attraktiver werden.
Mit der Einführung der Rückpassregel veränderte sich aber auch das Spiel selbst. „Man sieht inzwischen immer mehr Mannschaften, die das Spiel von hinter heraus aufziehen. Für diese Spielphilosophie braucht es einen Torhüter, der einen vernünftigen Aufbau einleitet“, untermauerte Gspurning seinen Vortrag mit einem Zitat von Manuel Neuer. Der Torhüter war also ab sofort in das Offensivspiel seiner Mannschaft eingebunden und zum ersten Aufbauspieler geworden.Die Ergebnisse machen deutlich, wie sehr bei Torhütern Aktionen mit dem Fuß zugenommen haben. Sie machen inzwischen 75-80 % des Torwartspiels aus.
Wichtiger als die Anzahl an Ballaktionen ist für Michael Gspurning aber die Frage, auf welche Weise die Rückpässe verarbeitet werden. Dazu hat er in einer eigenen Analyse die Aktionen nach Rückpässen auf Luthe unter die Lupe genommen. Die wenigsten Rückpassaktionen hatte der Union-Schlussmann im Spiel gegen den FC Augsburg (11), die meisten im Spiel in Prag (22). Bei 5-10 Aktionen hatte er dabei Druckaktionen, d.h. er musste unter Zeit- und Gegnerdruck agieren. Für die Analyse des Torhüterverhaltens sind für Gspurning drei Fragen wichtig: Was geschah? Wie hat sich der Torwart verhalten? Was können wir verbessern? Mit Hilfe dieser Fragen erarbeitet er mit seinen Torhütern dann Verbesserungsvorschläge.
Doch welche Faktoren muss der Torhüter in der Aktion betrachten? Nach Gspurnings Ansicht muss er Überzeugung und Sicherheit ausstrahlen. Die Grundlage dafür sei, dass der Torhüter seine Entscheidung bereits zuvor getroffen habe und sie deshalb ruhig und kontrolliert durchführen kann. Natürlich gehöre auch die richtige technische Ausführung (Passart, Geschwindigkeit) dazu. Der Pass sei „eine Botschaft“, weil der Torhüter damit vermittle, ob er konzentriert sei und Überzeugung ausstrahle. Noch ein Aspekt war Gspurning wichtig: Der Torhüter müsse „die Spielsituation weiterdenken“, d.h. überlegen, was er mit seinem Pass auslösen will.
Auch nach der Aktion sei der Torhüter sofort wieder gefordert. Er müsse im Anschluss die sofortige Reorganisation einleiten und die Spielfortsetzung mit seinen Mitspielern kommunizieren. Er dürfe sich als nach der Aktion nicht aus dem Spiel nehmen, sondern müsse weiterhin die Verantwortung behalten und übernehmen.
Anhand der bereits angesprochenen Spielsituationen im Spiel gegen Mainz machte Michael Gspurning anschaulich, wie er das Verhalten seines Torhüters in der Aktion sieht und erläuterte, warum die zuvor angesprochenen Verhaltensweisen in der jeweiligen Situation für ihn wichtig sind.
Am Ende seines Vortrags gab Michael Gspurning noch Einblicke in seine tägliche Trainingsarbeit. Er erläuterte, wie er sein Training in der Regel nach gleichbleibenden Prinzipien aufbaut ist und welche Aspekte in welcher Phase des Trainings eine Rolle spielen.
Im anschließenden Praxisteil zeigte er anhand von Übungen, wie die Wahrnehmung und das Erkennen freier Mitspieler bei einem Torhüter geschult werden können.