Diese Webseite nutzt Cookies. Wenn Sie weiter auf unserer Seite surfen, erklären Sie sich automatisch mit der Nutzung dieser Cookies einverstanden. close

Michael Rechner: Das Torwartspiel

Seit Januar 2015 ist Michael Rechner für die Profi-Torhüter des Bundesligisten TSG Hoffenheim zuständig, nachdem er zuvor als Koordinator Torwartspiel sieben Jahre lang Erfahrung im Jugendbereich der Kraichgauer gesammelt hatte. Rechner hat also sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Seit 2009 ist er außerdem Ausbilder für Torwarttraining beim Badischen Fußballverband sowie seit 2010 Referent beim Deutschen Fußball-Bund. Aber auch im Ausland ist Michael Rechner Rechner inzwischen als Referent in Sachen  Torwartspiel gefragt.
Beim Torwarttrainer-Seminar 2018 in Bregenz, das alljährlich von „safehands the art of goalkeeping“ veranstaltet wird, war Rechner als Referent zum Thema „Das Torwartspiel“ eingeladen worden.
Goalguard hat die Veranstaltung besucht und fasst für euch die wichtigsten Aussagen Rechners im Folgenden zusammen. Michael Rechner untergliederte seine Präsentation in vier Fragen.

1. Was fordert das Spiel?

Die Ausgangsfrage, um Torwarttraining sinnvoll durchzuführen, lautet für Rechner, welche Aufgaben das Spiel vom Torhüter fordert. Am Beispiel seines Schützlings Oliver Baumann zeigte er auf, welche Aspekte des Torwartspiels in welcher Häufigkeit im Spiel auftreten.
In den bisherigen acht Spielen der laufenden Saison 2018/19 kam Baumann auf insgesamt 545 Aktionen. Das sind umgerechnet 68,1 Aktionen pro Spiel. Seine Aktionen bestanden zu 80 % aus der Spieleröffnung, zu 10,1 % aus der Torverteidigung und zu 9,9 % aus der Raumverteidigung. Die Zahlen zeigen, dass die Spieleröffnung speziell bei Baumann einen sehr breiten Raum einnimmt. Dieser Wert kann bei anderen Bundesliga-Torhütern durchaus geringer sein, denn er ist zu größeren Teilen abhängig von der Spielphilosophie des Cheftrainers.
Anhand von verschiedenen Videosequenzen zeigt Rechner anschließend auf, wie viele Aspekte ein Torhüter für eine richtige Entscheidung berücksichtigen muss. Beispielsweise muss ein Torhüter beim Abfangen einer Flanke den technischen Ablauf beherrschen (Beinarbeit, saubere technische Umsetzung), anschließend die Entscheidung treffen, ob er das Spiel beschleunigt oder langsam macht und abschließend entscheiden, in welche Zone er den Ball mit welcher Technik spielt. Rechner machte dadurch deutlich, wie viele Details entscheidend sind, um eine Aktion erfolgreich durchzuführen.
Anhand einer weiteren Grafik stellte er die Ergebnisse einer Analyse der Gegentore Baumanns in der vergangenen Saison 2016/17 dar. In 36 Bundesligaspielen musste Baumann insgesamt 39 Gegentore hinnehmen. Interessant war zu sehen, auf welche Art und Weise die Gegentore fielen. 69,3 % aller Tore passierten aus der Nahdistanz, zu der in Hoffenheim auch  die 1gegen1-Situationen gerechnet werden. Bei 25,6 % aller Gegentore war ein Abdruck mit explosivem Absprung gefordert, für 5,1 % der Gegentore waren Mängel in den Grundtechniken verantwortlich, d.h. sie passieren nach Aktionen, die technisch besser zu lösen gewesen wären.
In einer letzten Grafik widmete sich Rechner der Frage, welche Ursachen es für Torwartfehler gibt. Dazu führte er ein Untersuchungsergebnis zum EM 2012 an. Von insgesamt 97 Gegentoren bei diesem Turnier konnte man 10 % der Kategorie Torwartfehler zuordnen. 26 % davon beruhten auf einem mangelhaften Stellungsspiel, d.h. der Torhüter hatte nicht die richtige Position zum Schützen. Weitere 26 % der Torwartfehler resultierten aus einer fehlerhaften Grundstellung, weil der Torhüter zum Zeitpunkt des Schusses seine Bewegung noch nicht abgeschlossen hatte. 29 % waren Entscheidungsfehler, 11 % resultierten aus technischen Fehlern und 8 % waren auf mangelhafte Organisation zurückzuführen. Ein klares Ergebnis wird aus diesen Werten deutlich: 90 % dieser Torwartfehler haben taktische Hintergründe! Deshalb, so Rechner, muss dieser Teil verstärkt ins Torwarttraining integriert werden.
Noch eine letzte Grafik von der WM 2014 zeigte anschaulich, aus welcher Distanz die Gegentore erzielt wurden. Die Erkenntnis:
-    90 % aller Tore fallen innerhalb des Strafraums
-    98 % aller Tore fallen unter Gegnerdruck
-    85 % aller Tore werden nach direktem Abschluss oder mit dem zweiten Kontakt erzielt
Für das Torwarttraining bedeutet diese Auswertung nach Rechner, dass viele Abschlüsse im Strafraum trainiert werden müssen. Nur dann ist das Training an die Anforderungen des Spiels angepasst.

2. Wie trainieren wir das?

Das Torwarttraining in Hoffenheim in nach einer bestimmten Struktur aufgebaut, die Rechner anhand des von ihm entwickelten Software-Programms darstellte. Diese Software ist übrigens für Interessierte gegen eine monatliche Gebühr nutzbar www.goalkeeping-development.de.
Das Training beginnt in der Regel mit einer Aufwärmphase, in der immer das Passspiel und kognitive Inhalte integriert sind. In der Phase der Hinführung werden Techniken wie Fangen oder Fallen und andere Grundtechniken kombiniert trainiert. In darauf folgenden Hauptteil wird meist ein Schwerpunkt, z.B. die 1gegen1-Situation, thematisiert. Beispielsweise wird die 1gegen1-Situation zunächst kombiniert oder kognitiv trainiert, später in Übungsformen komplex (2 Tore-Spiel, 3 Tore-Spiel). Zum Abschluss der Trainingseinheit werden die Torhüter für bestimmte Spielformen ins Mannschaftstraining eingebaut.
Mit Hilfe der Datenbank des Software-Programms werden Informationen zu jedem Torhüter gesammelt und vom Programm ausgewertet. So kann jeder Torwarttrainer sofort erkennen, in welchem Bereich der Torhüter Schwächen aufweist und diese zum Inhalt eines Schwerpunktthemas im Training machen.
Methodisch arbeiten die Torwarttrainer in Hoffenheim nach dem Grundsatz „Vom Einfachen zum Schweren.“ Techniken werden nach folgender Abfolge trainiert:
  1. Isoliert
  2. Kombiniert (2 Aktionen)
  3. Kognitiv (Farbe, Zahl ..)
  4. Komplex
  5. Situativ (Situationen auf dem Spiel werden nachgestellt)
  6. Team (Umsetzung im Mannschaftstraining)
Aufgabe eines jeden Torwarttrainers ist, einen Wochenplan zu erstellen, in dem er festlegt, welche Inhalte er wann trainiert. Diese Trainingsinhalte werden wiederum im Software-Programm eingegeben, um einen Überblick zu gewinnen, welche Inhalte in welchem Umfang trainiert wurden.

3. Was fordert das Spiel vom Trainer?

Die erste wichtige Aufgabe des Trainers ist die Spielanalyse. Aus ihr ergibt sich die Trainingsplanung. Aber auch Fähigkeiten in der Menschenführung sind vom Trainer gefordert. Es muss durch sachliche Anerkennung und Kritik den Torhüter auf seinem Weg begleiten und mit Konflikten konstruktiv umgehen können, aber auch die Kommunikation mit Trainerkollegen und den Torhütern beherrschen,  um die Inhalte vermitteln zu können. Selbstverständlich ist er auch für die Kaderplanung mit verantwortlich.Aufgabe eines jeden Torwarttrainers ist, einen Wochenplan zu erstellen, in dem er festlegt, welche Inhalte er wann trainiert. Diese Trainingsinhalte werden wiederum im Software-Programm eingegeben, um einen Überblick zu gewinnen, welche Inhalte in welchem Umfang trainiert wurden.

4. Nahdistanz / Eins gegen Eins

Zum Abschluss seiner Präsentation ging Rechner noch auf das Verhalten des Torhüters in der Nahdistanz und dem Eins gegen Eins ein, die das Thema im anschließenden Praxisteil waren. Anhand verschiedener Videosequenzen machte er deutlich, wie sich das Verhalten des Torhüters je nach Distanz zum Schützen in der Nahdistanz und dem 1gegen1 unterscheidet. Elemente, die dem Torhüter in der Nahdistanz zur Verfügung stehen, sind für Michael Rechner das Tauchen, die Hand-Fuß-Reaktion, der Block und der Ballangriff. Im folgenden Praxisteil zeigte er anhand verschiedener Übungen, wie diese Elemente vermittelt und geschult werden können.

Die Referenten