Die Ausgangsfrage, um Torwarttraining sinnvoll durchzuführen, lautet für Rechner, welche Aufgaben das Spiel vom Torhüter fordert. Am Beispiel seines Schützlings Oliver Baumann zeigte er auf, welche Aspekte des Torwartspiels in welcher Häufigkeit im Spiel auftreten.
In den bisherigen acht Spielen der laufenden Saison 2018/19 kam Baumann auf insgesamt 545 Aktionen. Das sind umgerechnet 68,1 Aktionen pro Spiel. Seine Aktionen bestanden zu 80 % aus der Spieleröffnung, zu 10,1 % aus der Torverteidigung und zu 9,9 % aus der Raumverteidigung. Die Zahlen zeigen, dass die Spieleröffnung speziell bei Baumann einen sehr breiten Raum einnimmt. Dieser Wert kann bei anderen Bundesliga-Torhütern durchaus geringer sein, denn er ist zu größeren Teilen abhängig von der Spielphilosophie des Cheftrainers.
Anhand von verschiedenen Videosequenzen zeigt Rechner anschließend auf, wie viele Aspekte ein Torhüter für eine richtige Entscheidung berücksichtigen muss. Beispielsweise muss ein Torhüter beim Abfangen einer Flanke den technischen Ablauf beherrschen (Beinarbeit, saubere technische Umsetzung), anschließend die Entscheidung treffen, ob er das Spiel beschleunigt oder langsam macht und abschließend entscheiden, in welche Zone er den Ball mit welcher Technik spielt. Rechner machte dadurch deutlich, wie viele Details entscheidend sind, um eine Aktion erfolgreich durchzuführen.
Anhand einer weiteren Grafik stellte er die Ergebnisse einer Analyse der Gegentore Baumanns in der vergangenen Saison 2016/17 dar. In 36 Bundesligaspielen musste Baumann insgesamt 39 Gegentore hinnehmen. Interessant war zu sehen, auf welche Art und Weise die Gegentore fielen. 69,3 % aller Tore passierten aus der Nahdistanz, zu der in Hoffenheim auch die 1gegen1-Situationen gerechnet werden. Bei 25,6 % aller Gegentore war ein Abdruck mit explosivem Absprung gefordert, für 5,1 % der Gegentore waren Mängel in den Grundtechniken verantwortlich, d.h. sie passieren nach Aktionen, die technisch besser zu lösen gewesen wären.
In einer letzten Grafik widmete sich Rechner der Frage, welche Ursachen es für Torwartfehler gibt. Dazu führte er ein Untersuchungsergebnis zum EM 2012 an. Von insgesamt 97 Gegentoren bei diesem Turnier konnte man 10 % der Kategorie Torwartfehler zuordnen. 26 % davon beruhten auf einem mangelhaften Stellungsspiel, d.h. der Torhüter hatte nicht die richtige Position zum Schützen. Weitere 26 % der Torwartfehler resultierten aus einer fehlerhaften Grundstellung, weil der Torhüter zum Zeitpunkt des Schusses seine Bewegung noch nicht abgeschlossen hatte. 29 % waren Entscheidungsfehler, 11 % resultierten aus technischen Fehlern und 8 % waren auf mangelhafte Organisation zurückzuführen. Ein klares Ergebnis wird aus diesen Werten deutlich: 90 % dieser Torwartfehler haben taktische Hintergründe! Deshalb, so Rechner, muss dieser Teil verstärkt ins Torwarttraining integriert werden.
Noch eine letzte Grafik von der WM 2014 zeigte anschaulich, aus welcher Distanz die Gegentore erzielt wurden. Die Erkenntnis:
- 90 % aller Tore fallen innerhalb des Strafraums
- 98 % aller Tore fallen unter Gegnerdruck
- 85 % aller Tore werden nach direktem Abschluss oder mit dem zweiten Kontakt erzielt
Für das Torwarttraining bedeutet diese Auswertung nach Rechner, dass viele Abschlüsse im Strafraum trainiert werden müssen. Nur dann ist das Training an die Anforderungen des Spiels angepasst.